Embryonale Überbruchs- Kontraktionen

Ein Muskel besitzt zwei Enden, die an zwei Knochen befestigt sind. Der Muskel kann den Abstand zwischen diesen beiden Enden verkleinern. Mehr kann er nicht. Ein Muskel arbeitet also eindimensional. Sein Ding ist die Verkürzung des Abstands.

Wünsche und Handlungsbedarf werden wir nun als umgreifende Pole unseres Daseins aufspannen. Oben, am dem einen Pol, befinden sich die Wünsche und am anderen Pol steht der Handlungsbedarf. Wir befinden uns immer in einem Zustand dazwischen. Ist das nicht ein bisschen zu simpel gedacht? Zugegeben: Dieser Spannungsbogen besitzt nur eine Dimension und vereinfacht enorm. Aber jeder einzelne Muskel zieht sich nun mal nur in einer Dimension zusammen.

Größe des Handlungsbedarfs

Wir Menschen haben Wünsche. Solange diese nicht erfüllt sind, herrscht Handlungsbedarf. Wir müssen dann schauen, wie wir die Wünsche real machen können.

Der Handlungsbedarf kann klein sein. Haben wir das Bedürfnis, etwas zu trinken, so gehen wir in die Küche und nehmen uns ein Glas Flüssigkeit – dann ist der Wunsch erfüllt und hört auf zu existieren. Auf diese Weise können wir kleine Anliegen sofort erledigen.

Der Handlungsbedarf kann größer sein. Um mittelgroße Anliegen zu realisieren, müssen wir über längere Zeit hinweg Handlungen durchführen. Hier heißt handeln, dass wir überlegen, was zu tun ist, dann planen wir und führen das Vorhaben aus. Die Aufgabe nimmt einige Zeit in Anspruch.

Der Handlungsbedarf kann groß sein. So groß, dass das Individuum nicht in der Lage ist, das Ziel zu erreichen. Hier, an dieser Stelle, wollen wir einige exemplarische Wünsche isolieren und betrachten:

Nehmen wir einen jungen Menschen, der eine Schule besucht. Der Wunsch dieses Jugendlichen kann sein, sich komfortablere Schulnoten zu erarbeiten. Ein zweiter Mensch, ein guter Schüler, könnte von diesem Mangel befreit sein. Aber vielleicht produziert auch er nur mittelgute Noten. Obwohl er sich anstrengt, erreicht er die lupenreinen Ergebnisse nicht, die ihn glücklich machen würden.
Der dritte schließlich, ein sehr guter Schüler, lässt diese Schwierigkeiten hinter sich. Er weist wirklich gute Ergebnisse vor, aber ein Restzweifel treibt auch ihn um. Er weiß, dass er trotz seiner Fähigkeiten nicht in der Lage ist, in seinem Leben exakt das zu machen, woran ihm am meisten liegt. Seine Furcht bildet sich an der fehlenden ökonomischen Grundlage der Wunschtätigkeit. Alle Genannten fühlen einen Mangel. Alle empfinden zwischen der Realität und Ihren Wünschen eine unangenehme Spanne, die sie nicht überbrücken können.

Ein Wunsch kann so weit von der Realität entfernt sein, dass keine Handlung ihn wahr machen kann. Wichtig ist bei der nun folgenden Definition, dass es Wege geben muss, die zum Ziel führen.

Ein Beispiel: Es heute ist nicht in Sicht, dass ein Mensch ohne Propeller, Ballon, Flügel oder Raketenantrieb wie ein Superheld in der Luft schweben kann. Da das nicht geht, ärgert sich niemand brennend über dieses Unvermögen. Das Individuum kann zwar in diese Richtung spekulieren, aber es existieren keine Realisierungsmöglichkeiten.

Anderes Beispiel: Ein wohlhabender Ausländer steuert ein kostspieliges Auto durch ein armes Land. Dies erzeugt bei den Einwohnern dieser Gegend Wünsche und Handlungsbedarf. Sie sehen die Möglichkeit, so ein Auto zu besitzen und ihre Unfähigkeit, diesen Wunsch wahr zu machen.

Embryonale Überbruchskontraktionen ereignen sich dort, wo die Spanne zwischen realer Situation und imaginärem Wunsch übermächtig groß ist. Die Spanne ließe sich zwar grundsätzlich überbrücken, aber nicht für denjenigen, der sich ärgert.

Was bedeutet Handeln?

Wir können handeln, indem wir unseren Körper bewegen. Wir bewegen die Gliedmaßen, unsere Zunge, die Augäpfel, was auch immer. Dies bewerkstelligen wir auf zwei Arten: indem wir die Muskeln kontrahieren – oder loslassen. Wobei das Loslassen eher in den Bereich der Entspannung, der Wunscherfüllung gehört. Kurz gesagt heißt das: Handeln können wir nur, indem wir die Muskeln zusammenziehen.

Embryonale Überbruchskontraktionen

Wenn wir ein Ziel erreichen wollen, werden wir tätig und spannen unsere Muskeln an. Je mehr uns am Erfolg unserer Handlungen liegt und je schwieriger die Realisierung erscheint, desto mehr strengen wir uns natürlich an.

Sehr große Spannen zwischen Wunsch und Realität führen jedoch zu einer Verkrampfung. Wir kontrahieren alle Muskeln, die beugenden und streckenden gleichzeitig, in einem Akt der Ratlosigkeit.

Wenn wir alle Muskel angespannt haben, gibt es immer noch einen Muskel, der sich weiter entspannt und zusammenzieht: Der Herzmuskel. Wir verbinden, wenn wir uns ärgern, imaginär unsere Muskel mit dem Herzmuskel.

Nun könnte man vermuten, dass bei weiterer Anstrengung die Muskel reißen. Aber dies ist nicht der Fall. Der Körper geht anders vor. Wahrscheinlich kennt er das Reißen nicht. Er lässt den Muskel brechen. Der Kraftimpuls geht plötzlich im rechten Winkel ab, also (mathematisch gesprochen) normal zur Zugrichtung.

Dieses Brechen möchten wir nun „Überbruchskontraktionen“ nennen. Der Begriff setzt sich aus drei Teilen zusammen: „Über“ kommt von „Überanstrengung“ oder „Überlastung“, Kontraktion stellt die Grundaktion der Muskeln dar. „Bruch“ ist das Ereignis, das sich einstellt, wenn die Spanne Wunsch-Handlungsbedarf für das Individuum nicht mehr zu überbrücken ist.

Der Kraftimpuls geht dann im rechten Winkel ab. Es entsteht ein zweites System muskelähnlicher Vorgänge, wo die Kräfte in seltsame Richtungen geleitet werden. Dieses zweite, virtuelle Muskelsystem möchte der Autor „Muskulationen“ nennen. Ab nun existieren also „Muskeln“ und „Muskulationen“.

Später sehen wir, wie Muskulationen die Kraft des Körpers in paradoxe Bahnen leiten. Wir betrachten auch aktive und sterbende Überbruchskontraktionen.

Eine massive Überbruchskontraktion im Leben vieler junger Menschen wird künstlich erzeugt. Der Widerspruch wird durch das Problem ausgesät und hochgezüchtet, dass unsere Welt zwar theoretisch geändert werden könnte, in der Praxis aber rein gar nichts geschieht.


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