Sisyphusreflex

Mancher Schreck kommt zunächst auf leisen Füssen, zwickt sich unbemerkt ein – ist aber gekommen um zu bleiben und mutiert schnell zu einer unbeherrschbaren mechanischen Kraft.

Der Autor hat festgestellt, dass er aus dem Moment des höchst Angenehmen – einem Moment, in dem man auch schutzlos ist – durch einen Schreck herausgeholt wurde.

Wir sprachen bereits über die Spanne zwischen Handlungsbedarf und Wunscherfüllung, als Pole unseres Daseins. Diese Pole sind voneinander separiert. Ein Schreck ereignet sich, wenn Gefahr eintritt. Bei Freudigem erschrecken wir nicht.

Damals ereignete sich der Schreck aber bei einer Illumination. Der Autor erschrak bei etwas extrem angenehmen. Nun sah der Verfasser folgende Konstellation:

War der Schreckreflex, der ja normalerweise nur bei Gefahr eintritt, nun permanent aktiviert? Erschrak er nun, wenn er sicher war? Erschrak er nun auch, wenn es keinen Grund zum Erschrecken gab?

Es wäre die Installation des Erschreckens bei Zufriedenheit.
Gefahr sowie Sicherheit würden beide zum Erschrecken führen. Zwei getrennte Orte auf unserer Gefühlslandkarte erhielten eine Verbindung zur Angst hin.

Hinzu kam, dass die Körperruhe wie weggesprengt war.

Es entstand ein Zyklus, der sich alle 2 Wochen wiederholte. Einmal in dieser Periode wurde es fürchterlich, aber als es dann ausweglos schien, besserte sich der Zustand plötzlich. Der Autor kämpfte ständig gegen etwas an, was wir in den folgenden Kapiteln genau bezeichnen werden. Kaum meinte er, das eine Problem sei erledigt, ging es wieder von vorne los. Wenn er auf der anderen Seite drauf und dran war aufzugeben, wurde der Zustand wieder erträglicher. Der imaginäre Sisyphus-Reflex schaltete aus Angstproblemen in scheinbare Zufriedenheiten um und aus Zufriedenheiten in Furcht zurück. Das geschah, wie gesagt, einmal alle zwei Wochen.

Hier sehen wir die Analogie zur Gestalt des Sisyphus. Auch er war gezwungen den Stein hinauf zu rollen, ohne ihn wirklich bis zur Bergspitze stemmen zu können. Daher der Name für das Phänomen.

Die Schlussfolgerung aus der Betrachtung war beklemmend. Der Autor war anscheinend dazu verdammt, den Lebensrest gegen irgend etwas mit voller Kraft anzustemmen. Immer und immer wieder, ohne Aussicht auf Erfolg. Alle zwei Wochen hieß es am vollkommenen Ende zu sein. Dieser Prozess forderte ständige und harte, aber nutzlose Arbeit.

Parallelen

Die ganze Geschichte verhielt sich so, als wäre irgendwas im Gehirn auf Durchzug oder im Kreis geschaltet. Vorausgesetzt, der Autor durfte hier so einfach auf Prozesse im Gehirn schließen – was er tat.

Wenn es sich um zwei Nervenstränge handeln würde, die das Durcheinander verursachten, so müssten sie sich folgendermaßen zueinander verhalten:
Der eine aktivierte durch seine Aktivierung den anderen. Umgekehrt genauso. Also ließen sich die beiden nicht beruhigen, weil einer den anderen antreibt. Die Schlange biss sich selbst in den Schwanz.

Der Leser mag vielleicht eine Parallele zu einem anderen Desaster, den Epilepsie-Krankheiten ausmachen. Auch dort, sagt man uns, schalten sich die Nerven im Moment einer Entladung zu einem Kreis.

Im ersten Moment bot sich nur eine Lösung an: Mit einem Skalpell müsste ein Schnitt im Gehirn gesetzt werden, und zwar an der richtigen Stelle. Der Schnitt sollte dort geschehen, wo die auf Durchzug geschalteten Nerven ihr Unwesen treiben. Der Eingriff hätte den Zweck, aus einer Schleife oder einem Kreis wieder eine Sache mit zwei Enden zu machen.

Aber die Medizin bot nicht die Lokalisierung und Behandlung einer Nervenschleife im Jahr 1989  an. Und welcher Arzt ließe sich auch auf eine obskure Vermutung eines „Verrückten“ ein? Dass das nicht klappen konnte, sah der Autor ein.

Es gab auch noch einen zweiten Weg aus den Tiefen der Implosionshölle. Er führt dadurch nach oben, dass der Betroffene die Implosionszustände aushält und sein Leiden annimmt, soweit das geht. Wir erklären hier, wie das vor sich geht.

Nur wusste das der Autor nicht. Für ihn stand über dem Eingang zur Implosionshölle, den er gerade passiert hatte, geschrieben:

„Ihr die Ihr hier eintretet,
lasset alle Hoffnung fahren“.


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